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09.03.2021
Museum

Die Gründerväter der Eintracht - Teil 2

An dieser Stelle kommen nach und nach sämtliche Vereinsgründer unter die Lupe. Eine Suche nach den Menschen, die diesen Verein einst aus der Taufe gehoben haben.

Am 8. März 1899 wurde die Eintracht von 15 sportbegeisterten Frankfurtern unter dem Namen Victoria gegründet. Was aus den Gründern wurde, möchte das Eintracht-Museum mithilfe aller Eintracht-Fans klären. Walter Engel aus Westfalen hat sämtliche Gründernamen in den Adressbüchern von Frankfurt abgeglichen und Spuren gefunden. Dafür ein herzliches Dankeschön! Bis zum Jahrestag des ersten Spiels gegen den Bockenheimer FC 1899 am 19. März wird jeder Vereinsgründer vorgestellt sein. Je mehr von der Spurensuche erfahren, desto besser natürlich – also gerne weitersagen und teilen!

Diesmal macht sich der zweite Teil dieser kleinen Serie auf die Suche nach Albert Gerhardt, Carl Kaufmann und Gustav Diebold.

Albert Gerhardt

An dritter Stelle der Gründungsurkunde finden wir links Albert Gerhardt. Die Familiennamen Gerhard, Gerhart und Gerhardt finden sich im Adressverzeichnis der Stadt Frankfurt um die Jahrhundertwende mehr als fünfzigmal, so dass wir kaum Hoffnung hegten, herauszufinden, wer unser Albert ist. Doch einmal mehr kam die Germania zur Hilfe. Denn im Eintrag zur Germania aus dem Jahr 1900 (die Daten wurden 1899 zusammengetragen) ist Albert Gerhardt als „2. Kapitän“ genannt, seine Postanschrift ist die Schopenhauerstr. 29 im Norden Richtung Bornheim. Damit steht fest, dass unser Gründungsmitglied Albert Gerhardt zum Zeitpunkt der Unstimmigkeiten im Frühjahr 1899 bei der Germania nicht nur normales Mitglied war, sondern sogar Funktionsträger.

In der Schopenhauerstraße 29 wohnt Albert zusammen mit seiner Mutter Beate, der Vater ist bereits verstorben. Nach Gründung der Victoria am 8. März 1899, bei der Albert Gerhardt von der Truppe ein „Hipp-Hipp-Hurrah“ für „sein Verdienst um die Herrichtung der Goals“ ausgebracht wurde, ist Albert Gerhardt seit dem ersten Spiel am 19. März 1899 eine feste Größe auf dem Spielfeld. Außerdem ist er „II. Capitain“ des Vereins. 1906 zieht er mit seiner Mutter in die Rohrbachstraße 7. Im Verein hat Albert mittlerweile Funktionen übernommen, 1903 wird er zum Zweiten Vorsitzenden gewählt. In der Zeitung „Frankfurter Leben“ vom 23. September 1906 wird Albert Gerhardt in der Schiedsrichterliste geführt.

Albert Gerhardt bleibt dem Verein sein Leben lang treu, er ist bei den Fusionen zum Frankfurter Fußballverein und später zur Eintracht mit von der Partie, vom Verein wird er mit der Ehrenmitgliedschaft ausgezeichnet. Als Albert Gerhardt im August 1953 stirbt, wird in den Eintracht-Heften ein großer Nachruf auf ihn veröffentlicht, in dem es heißt: „Gerhardt war unser ältestes Mitglied und der älteste Fußballspieler in Frankfurt. Mit ihm ist ein Stück Sportgeschichte dahin gegangen.“

Hier muss es doch Hinweise geben: Wer erinnert sich an Albert Gerhardt, der bis zu seinem Tod 1953 ein großer Eintrachtler war und sich gerne an seine Jugend auf der Hundswiese erinnerte?

Carl Kaufmann

Carl Kaufmann wird in der Gründungsurkunde in der linken Spalte an vierter Stelle erwähnt. Ein Spieler und Funktionär unter dem Namen Carl Kaufmann ist bei der Eintracht nicht bekannt geworden. Aber Michael Pickel berichtet in seinem Manuskript ja auch darüber, dass die Fußballer „ermutigt durch einige Stammtischgäste, über die Gründung des neuen Vereins unter dem Namen Frankfurter Fußballklub „Victoria“ einig wurden“.

Da steht also die Vermutung im Raum, dass Carl Kaufmann einer der Stammtischgäste war. Aber ermutigt man junge Leute einfach mal so beim Stammtisch, einen eigenen Verein zu gründen? Könnte sein… Bei der Betrachtung der Adressverzeichnisse der Stadt Frankfurt aus der Zeit um 1900 stellt sich immer die Frage, ob jemand als Hausvorstand agierte, nur die sind nämlich eingetragen. Junge Fußballer wohnten oft noch bei den Eltern oder einem Untermietverhältnis, so dass man zu ihnen keinen Eintrag findet. Unter Stammtischgast stellt man sich aber einen gesetzteren Menschen vor. Personen mit dem Namen „Carl Kaufmann“ erscheinen im Adressbuch mehrere: Und zwar ein Diamantenhändler, ein Arzt, ein Barbier, ein Metzger, ein „Kgl. Stat.-Assist.“, ein Tapezierer und ein Schneider. Hilft hier der Beruf weiter? Oder doch eher die Wohnadresse?

Tatsächlich wohnt der Kgl. Stat.-Assist. Carl Kaufmann in der Cranachstraße 14, erster Stock. Über die Untermainbrücke war man auch 1899 schnell am Hauptbahnhof und in der Hohenzollernstraße (heutige Düsseldorfer Straße), der Weg zum Stammtisch war also nicht weit. Was den Verdacht massiv erhärtet: In der Cranachstraße, nur drei Häuser und keine 50 Meter weiter, wohnt auch Hans Schnug, der sich am 8. März 1899 ebenfalls in der Hohenzollernstraße 14 befindet und zu den Vereinsgründern gehört. Da liegt die Vermutung nahe, dass Carl Kaufmann, der Stammtischbruder, die Idee seines Nachbarn gut fand – und den Verein aus Solidarität mitgegründet hat. Es bleibt noch die Frage: Was ist ein Kgl. Stat.-Assist.? Auch das ist zu klären: Carl Kaufmann war Stationsassistent bei der Bahn, das Kürzel Kgl. sagt aus, dass er bei der „Königlich Preußischen und Großherzoglich Hessischen Eisenbahnbetriebs- und Finanzgemeinschaft“ betätigt war.

Vermutlich war Carl Kaufmann nicht lange in unserem großartigen Verein. Bereits im April 1899, das können wir allen Datenschutzvorschriften zum Trotz verkünden, kam bei einer Sitzung zur Sprache, dass er seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen sei. Ihm wurde ein endgültiger Zahltermin für den Beitrag genannt. Danach taucht der Name in den Protokollen nicht mehr auf. Wir danken trotzdem für die Beteiligung an der Vereinsgründung.

Ob der Eisenbahner Carl Kaufmann, den wir in der Cranachstraße bis in die 1920er Jahre nachweisen können, tatsächlich einer der Gründer der Eintracht ist, kann nur spekuliert werden. Aber gerade die Nachbarschaft zu Hans Schnug erhärtet den Verdacht. Hinweise auf Carl Kaufmann nehmen wir gerne entgegen. Und für eventuelle Angehörige: Nein, wir werden den Vereinsbeitrag der letzten 122 Jahre nicht einziehen.

Gustav Diebold

Gustav Diebold erscheint auf der Gründungsurkunde als fünfter Name in der linken Spalte, sein Vorname wird mit Gust. Abgekürzt. Am Abend des 8. März wird er zum ersten „Cassierer“ des Vereins gewählt. Unangenehm, ähnlich wie bei Carl Kaufmann: Bis zum 21. April 1899 hatte der Vereinskassierer seinen eigenen Beitrag noch nicht gezahlt, auch ihm wurde ein endgültiger Zahlungstermin genannt.

Zur Familie Diebold gibt es im Adressbuch der Stadt Frankfurt um die Jahrhundertwende erfreulich wenig Einträge, nämlich nur drei. Und einer ist eine heiße Spur. Im Adressbuch von 1898 ist ein Gustav Diebold in der Yorkstraße 16, Parterre, gemeldet. Wir haben gelernt, dass dieser Gustav der Hausvorstand ist, unser gesuchter Gustav müsste als junger Mann sein Sohn sein. Schon im Jahr 1900 ist der Hausvorstand verstorben, jetzt ist vermerkt „Gustav Diebold, Witwe, Kochfrau“. In den folgenden Jahren wird auch der Name der Witwe vermerkt, zunächst „Elise“, später „Elisabeth“. Übrigens ist nicht nur der Name Gustav ein Indiz, auch die Yorkstraße passt. Die heißt heute Pforzheimer Straße und ist nur ein paar Schritte von der Hohenzollernstraße (heute Düsseldorfer Straße) entfernt.

1907 erscheint im Adressbuch übrigens ein neuer Eintrag zu Gustav Diebold. Es gibt jetzt einen Kaufmann Gustav Diebold in der Offenbacher Landstraße 263. Diese Adresse ändert sich über viele Jahr nicht, jedoch kommt eine Luise Diebold mit einem Kolonialwarenladen hinzu. Luise könnte seine Frau sein. Erst im Adressverzeichnis 1934 erscheint Gustav Diebold mit neuer Adresse Kinzigstraße 2, III Etage. Das Haus liegt auf der anderen Straßenseite der Offenbacher Landstraße, keine 30 Meter von der Hausnummer 263 entfernt. In der Offenbacher Landstraße 263 ist laut Gewerbeverzeichnis fortan die Kolonialwarenhandlung Diebold. Ab 1940 betreibt Elisabeth Diebold einen Lebensmittelhandel in der Offenbacher Landstr. 263. Hat Gutstav Diebold seine Mutter aus der Yorkstraße in die Offenbacher Landstraße geholt, oder übernimmt seine Tochter, die er nach seiner Mutter benannt hat, den Laden? Im Stadtarchiv findet sich eine Akte, in der eine Wirtschaftserlaubnis erteilt wird: „Konzession zum Kleinhandel mit Spirituosen für ein Ladengeschäft, Betreiberinnen: Luise DIEBOLD und Elisabeth DIEBOLD, Offenbacher Landstraße 263.“ Diese Konzession wird nach 1943 erweitert: „Kleinhandel mit Branntwein für ein Lebensmittelgeschäft, Betreiberin: Elisabeth DIEBOLD verehel. LÖHR, Offenbacher Landstraße 263, "durch Terrorangriff vom 4./5. Oktober 1943 total vernichtet", Verlegung nach Offenbacher Landstraße 285. Vorbetreiberin war die Mutter L(o)uise DIEBOLD.“ Damit wäre es geklärt, dass Louise die Ehefrau von Gustav war, das gemeinsame Kind hieß Elisabeth und wurde vermutlich nach seiner Oma benannt.

Das Geschäft blieb übrigens noch Jahrzehnte in der Offenbacher Landstraße, die Einträge finden sich bis in die 1960er Jahre. Einträge zu Gustav Diebold gibt es seit Beginn der 1950er Jahre nicht mehr.

Wir sind sehr optimistisch, Angehörige von Gustav Diebold zu finden. An den Laden in der Offenbacher Landstraße müssen sich Eintrachtler doch erinnern?

SGE-SUCHT: Zum 122. Geburtstag

Was aus den anderen Gründern wurde, soll sich in den nächsten Tagen mit Hilfe aller Eintracht-Fans klären. Walter Engel aus Westfalen hat sämtliche Namen in den Adressbüchern von Frankfurt abgeglichen und Spuren gefunden. Dafür ein herzliches Dankeschön! Bis zum Jahrestag des ersten Spiels gegen den Bockenheimer FC 1899 am 19. März wird jeder Vereinsgründer vorgestellt sein. Je mehr von der Spurensuche erfahren, desto besser natürlich – also gerne weitersagen und teilen!